Christian Rätsch
Die White River Badlands von Süddakota (USA) gehören nicht nur zu den ungewöhnlichsten und schönsten Landschaften Nordamerikas, sie sind auch eine der besten Fundstellen für tertiäre Wirbeltierfossilien aus dem Oligozän (Chadron Formation = Titanotherium Beds und Brulé Formation = Oreodon Beds/Protoceras Beds, Tertiär, ca. 25-40 Millionen Jahre alt). Die oligözänen Schichten liegen direkt über dem Pierre Shale (Maastrich, Obere Kreide, ca. 65 Millionen Jahre alt). Der Pierre Shale, zu dem die Fox Hills Formation gehört, wurde aus Meeresablagerungen gebildet und ist sehr fossilreich. Berühmt ist die Ammonitenfauna des Pierre Shale (Landman und Waage 1993): Scaphiten (Jeletzkites, Hoploscaphites etc.), Ammoniten (Sphenodiscus, Placenticeras) und Baculiten (Baculites), die sehr gut erhalten sind, oft mit Perlmuttschale (`Perlmuttammoniten´). Der schwarze Pierre Shale tritt in den Badlands nur in den Flußbetten und tieferen Canyons zutage (Hirsch 1975).
Die Sioux Indianer (Dakota, Lakota) nennen die Badlands Mako Sica (maco, `Land´; sica, `schlecht´). In der Literatur des 19. Jh. findet man sie auch unter dem französischen Namen Mauvaises Terres. Sie liegen inmitten der grasbedeckten Großen Prärien (Great Plains). Ihre vegetationslosen, ausgewaschenen Hügel und Canyons erscheinen wie eine leblose Mondlandschaft und geben den Eindruck einer fremden, lebensfeindlichen Welt. Aus der Luft betrachtet erinnern die landschaftlichen Strukturen an ausgewitterte Lobenlinien oder an computergenerierte Fraktale. Der landschaftlich schönste Teil der Badlands ist unter Naturschutz gestellt (Badlands National Park). Die Ausläufer liegen hauptsächlich in dem Pine Ridge Reservat (Clark 1978). Den dort lebenden Indianern (Oglala Sioux) ist das Land heilig. Von den großen versteinerten Knochen berichten Legenden, sie stammen von den Donnerpferden, die gewöhnlich im Himmel leben. Wenn es blitzt und donnert, trampeln die mächtigen Tiere über die Wolken und lassen es regnen. Gelegentlich kommen sie auf die Erde nieder um Büffel zu jagen. Dabei verenden sie in den trockenen Badlands. Die riesigen Knochen, die meist von den gehörnten, gewaltigen Titanotherien stammen, werden als Zaubermittel und Amulette benutzt (Rätsch und Guhr 1989: 60f.). Die Indianer sprechen auch von den `Knochen ihrer Ahnen´.
Die Ablagerungen der Badlands bestehen aus weichen, sehr feinkörnigen Tonschichten, Lagen vulkanischer Asche, dünnen Sandsteinbetten und isolierten Konkretionen, die oft Fossilien enthalten. Der Reichtum an Wirbeltierfossilien hat den Badlands den Spitznamen `The World's Largest Animal Graveyard´ eingebracht (Froiland 1990). 1846 wurde von Hiram A. Prout aus St. Louis das erstemal ein Badlands-Fossil beschrieben, das Fragment eines Titanotherium-Unterkiefers. Ein Jahr später beschrieb Joseph Leidy den Schädel eines Kamels (Hauk 1987: 6). Zu den ersten Paläontologen, die den wilden Westen bereisten gehörte Edward Drinker Cope (1840-1896). Der von der Ostküste stammende Cope verbrachte viel Zeit in den Badlands und entdeckte zahlreiche Gattungen und Arten (Lanham 1973). Die meisten der heute bekannten Tiere wurden von Cope in seinem berühmten zweibändigen Werk The Vertebrata of the Tertiary Formations of the West (1883) beschrieben und publiziert. Es wurde für alle späteren Paläontologen und Fossiliensammler das Standardwerk und erhielt den Spitznamen `Cope's Bible´.
Die Lebenswelt der Chadron und Brulé Formationen ist sehr gut bekannt, da wegen optimaler Fossilisationsbedingungen die gesamte Fauna erhalten ist (O'Hara 1920). Aus den Badlands sind bereits über 250 verschiedene fossile Säugetierarten beschrieben worden (Hauk 1987: 2). Im Oligozän herrschte anscheinend ein mildes Klima, das genug Weideland für eine Vielzahl von Pflanzenfressern produzierte. Es gab verschiedene frühe Formen des Rhinoceros (Hyracodon, Subhyracodon), und das gewaltige, elefantengroße Titanotherium (Brontotherium). Es ist das `Donnerpferd der Indianer´ und war das größte Landtier seiner Zeit (Osborn 1929). Es gab kleine, dreizehige Pferde (Mesohippus), Herden von Oreodonten, hundegroßen, mit den Schweinen verwandte Pflanzenfresser (Merycoidodon), Kamele (Tylopoda), Tapire (Protapirus), Hunde (Cynodictis), gigantische Wildschweine (Dinohyus, Elotherium), Nagetiere (Paleolagus) und Insektenfresser (Proterix). Es gab verschiedene fleischfressende Säbelzahnkatzen (Dinictis, Hoplophoneus) und bärenartige Tiere (Daphoenodon). Besonders häufig waren Landschildkröten (Stylemys, Testudo), aber es gab auch andere Reptilien, wie Eidechsen (Hyporhina) und Krokodile (Crocodilus, Caimanoides). Oft werden auch Schnecken gefunden, die vermutlich in Flüssen oder im Marschland lebten. Zu den gesuchtesten und wertvollsten Badlands-Fossilien gehören die chalzedonisierten Eier entenartiger Vögel (O'Hara 1920). Ein in letzter Zeit untersuchtes Ei hat sich als das fossile Ei eines falkenartigen Vogels herausgestellt.
Die Erhaltung der Fossilien ist sogar so gut, daß an den Schädelknochen mit modernen SCAN-Methoden der Medizin sehr präzise Untersuchungen durchgeführt werden können. An Röntgenbildern lassen sich die Hirnstrukturen verschiedener Säuger so gut erkennen und rekonstruieren, daß daraus Rückschlüsse über das Verhalten gezogen werden können! So wurde festgestellt, daß die Augen- und Nasenzentren im Gehirn des Hyaenodon verhältnismäßig viel stärker ausgeprägt sind als bei anderen Säugern des Oligozän. Daraus schließt man auf eine nächtliche Lebensweise (Boyce 1993).
Das Sammeln von Fossilien ist im Nationalpark strikt verboten (1906 Federal Antiquities Act). Lediglich auf privatem Land darf gesammelt werden. Dazu muß aber unbedingt die Erlaubnis des Ranchers eingeholt werden. Unpräparierte Fossilien können in der Longhorn Trading Post außerhalb des Reservats gekauft oder getauscht werden. Für den Sammler lohnt sich der Besuch des Nationalparks dennoch. Dort gibt es spezielle Lehrpfade, die dem Besucher die fossilführenden Schichten zugänglich machen. Auch wenn man die verwitternden Fossilien bedauern mag, so wirkt die einzigartige Landschaft in Ihrer Bizarrheit um so erhebender.
Boyce, Japheths B.
1993 `Night Stalker´, Lapidary Journal 47(4): 40-42, 112-114.
Clark, Champ
1978 The Badlands, Alexandria, Virginea: Time-Life Books.
Froiland, Sven G.
1990 Natural History of the Black Hills and Badlands, Sioux Falls, South Dakota: The Center for Western Studies.
Hauk, Joy Keve
1987 Badlands: Its Life and Landscape, Interior, South Dakota: Badlands Natural History Association (Bull. 2).
Hay, O. P.
1908 The Fossil Turtles of North America, Washington: Carnegie Institution.
Hirsch, Karl F.
1975 `Die Ammoniten des Pierre Meeres (Oberkreide) in den westlichen USA´, Der Aufschluß 26: 102-113.
Landman, Neil H. und Karl M. Waage
1993 Scaphitid Ammonites of the Upper Cretaceous (Maastrichtian) Fox Hills Formation in South Dakota and Wyoming. New York: Bulletin of the American Museum of Natural History, No. 215.
Lanham, Url
1973 The Bone Hunters. New York, London: Columbia University Press.
O'Harra, Cleophas C.
1920 The White River Badlands. Rapid City, South Dakota: South Dakota School of Mines, Bulletin No.13.
Osborn, Henry F.
1929 The Titanotheres of Ancient Wyoming, Dakota, and Nebraska. Washington: Dept. of the Interior, House Doc. No. 428.
Rätsch, Christian
1994 `Die Badlands und ihre Fossilien´, Fossilien 4/94: 223-226.
1995 `Auf "Schildkrötenjagd" in den Badlands´, Schildkröten I/95: 20-24.
Rätsch, Christian und Andreas Guhr
1989 Lexikon der Zaubersteine aus ethnologischer Sicht, Graz: Akademische Druck- u. Verlagsanstalt (ADEVA).
Quelle: Fossilien 4/94: 223-226, 1994.
Die Badlands und ihre Fossilien
Die White River Badlands von Süddakota (USA) gehören nicht nur zu den ungewöhnlichsten und schönsten Landschaften Nordamerikas, sie sind auch eine der besten Fundstellen für tertiäre Wirbeltierfossilien aus dem Oligozän (Chadron Formation = Titanotherium Beds und Brulé Formation = Oreodon Beds/Protoceras Beds, Tertiär, ca. 25-40 Millionen Jahre alt). Die oligözänen Schichten liegen direkt über dem Pierre Shale (Maastrich, Obere Kreide, ca. 65 Millionen Jahre alt). Der Pierre Shale, zu dem die Fox Hills Formation gehört, wurde aus Meeresablagerungen gebildet und ist sehr fossilreich. Berühmt ist die Ammonitenfauna des Pierre Shale (Landman und Waage 1993): Scaphiten (Jeletzkites, Hoploscaphites etc.), Ammoniten (Sphenodiscus, Placenticeras) und Baculiten (Baculites), die sehr gut erhalten sind, oft mit Perlmuttschale (`Perlmuttammoniten´). Der schwarze Pierre Shale tritt in den Badlands nur in den Flußbetten und tieferen Canyons zutage (Hirsch 1975).
Die Sioux Indianer (Dakota, Lakota) nennen die Badlands Mako Sica (maco, `Land´; sica, `schlecht´). In der Literatur des 19. Jh. findet man sie auch unter dem französischen Namen Mauvaises Terres. Sie liegen inmitten der grasbedeckten Großen Prärien (Great Plains). Ihre vegetationslosen, ausgewaschenen Hügel und Canyons erscheinen wie eine leblose Mondlandschaft und geben den Eindruck einer fremden, lebensfeindlichen Welt. Aus der Luft betrachtet erinnern die landschaftlichen Strukturen an ausgewitterte Lobenlinien oder an computergenerierte Fraktale. Der landschaftlich schönste Teil der Badlands ist unter Naturschutz gestellt (Badlands National Park). Die Ausläufer liegen hauptsächlich in dem Pine Ridge Reservat (Clark 1978). Den dort lebenden Indianern (Oglala Sioux) ist das Land heilig. Von den großen versteinerten Knochen berichten Legenden, sie stammen von den Donnerpferden, die gewöhnlich im Himmel leben. Wenn es blitzt und donnert, trampeln die mächtigen Tiere über die Wolken und lassen es regnen. Gelegentlich kommen sie auf die Erde nieder um Büffel zu jagen. Dabei verenden sie in den trockenen Badlands. Die riesigen Knochen, die meist von den gehörnten, gewaltigen Titanotherien stammen, werden als Zaubermittel und Amulette benutzt (Rätsch und Guhr 1989: 60f.). Die Indianer sprechen auch von den `Knochen ihrer Ahnen´.
Die Ablagerungen der Badlands bestehen aus weichen, sehr feinkörnigen Tonschichten, Lagen vulkanischer Asche, dünnen Sandsteinbetten und isolierten Konkretionen, die oft Fossilien enthalten. Der Reichtum an Wirbeltierfossilien hat den Badlands den Spitznamen `The World's Largest Animal Graveyard´ eingebracht (Froiland 1990). 1846 wurde von Hiram A. Prout aus St. Louis das erstemal ein Badlands-Fossil beschrieben, das Fragment eines Titanotherium-Unterkiefers. Ein Jahr später beschrieb Joseph Leidy den Schädel eines Kamels (Hauk 1987: 6). Zu den ersten Paläontologen, die den wilden Westen bereisten gehörte Edward Drinker Cope (1840-1896). Der von der Ostküste stammende Cope verbrachte viel Zeit in den Badlands und entdeckte zahlreiche Gattungen und Arten (Lanham 1973). Die meisten der heute bekannten Tiere wurden von Cope in seinem berühmten zweibändigen Werk The Vertebrata of the Tertiary Formations of the West (1883) beschrieben und publiziert. Es wurde für alle späteren Paläontologen und Fossiliensammler das Standardwerk und erhielt den Spitznamen `Cope's Bible´.
Die Lebenswelt der Chadron und Brulé Formationen ist sehr gut bekannt, da wegen optimaler Fossilisationsbedingungen die gesamte Fauna erhalten ist (O'Hara 1920). Aus den Badlands sind bereits über 250 verschiedene fossile Säugetierarten beschrieben worden (Hauk 1987: 2). Im Oligozän herrschte anscheinend ein mildes Klima, das genug Weideland für eine Vielzahl von Pflanzenfressern produzierte. Es gab verschiedene frühe Formen des Rhinoceros (Hyracodon, Subhyracodon), und das gewaltige, elefantengroße Titanotherium (Brontotherium). Es ist das `Donnerpferd der Indianer´ und war das größte Landtier seiner Zeit (Osborn 1929). Es gab kleine, dreizehige Pferde (Mesohippus), Herden von Oreodonten, hundegroßen, mit den Schweinen verwandte Pflanzenfresser (Merycoidodon), Kamele (Tylopoda), Tapire (Protapirus), Hunde (Cynodictis), gigantische Wildschweine (Dinohyus, Elotherium), Nagetiere (Paleolagus) und Insektenfresser (Proterix). Es gab verschiedene fleischfressende Säbelzahnkatzen (Dinictis, Hoplophoneus) und bärenartige Tiere (Daphoenodon). Besonders häufig waren Landschildkröten (Stylemys, Testudo), aber es gab auch andere Reptilien, wie Eidechsen (Hyporhina) und Krokodile (Crocodilus, Caimanoides). Oft werden auch Schnecken gefunden, die vermutlich in Flüssen oder im Marschland lebten. Zu den gesuchtesten und wertvollsten Badlands-Fossilien gehören die chalzedonisierten Eier entenartiger Vögel (O'Hara 1920). Ein in letzter Zeit untersuchtes Ei hat sich als das fossile Ei eines falkenartigen Vogels herausgestellt.
Die Erhaltung der Fossilien ist sogar so gut, daß an den Schädelknochen mit modernen SCAN-Methoden der Medizin sehr präzise Untersuchungen durchgeführt werden können. An Röntgenbildern lassen sich die Hirnstrukturen verschiedener Säuger so gut erkennen und rekonstruieren, daß daraus Rückschlüsse über das Verhalten gezogen werden können! So wurde festgestellt, daß die Augen- und Nasenzentren im Gehirn des Hyaenodon verhältnismäßig viel stärker ausgeprägt sind als bei anderen Säugern des Oligozän. Daraus schließt man auf eine nächtliche Lebensweise (Boyce 1993).
Das Sammeln von Fossilien ist im Nationalpark strikt verboten (1906 Federal Antiquities Act). Lediglich auf privatem Land darf gesammelt werden. Dazu muß aber unbedingt die Erlaubnis des Ranchers eingeholt werden. Unpräparierte Fossilien können in der Longhorn Trading Post außerhalb des Reservats gekauft oder getauscht werden. Für den Sammler lohnt sich der Besuch des Nationalparks dennoch. Dort gibt es spezielle Lehrpfade, die dem Besucher die fossilführenden Schichten zugänglich machen. Auch wenn man die verwitternden Fossilien bedauern mag, so wirkt die einzigartige Landschaft in Ihrer Bizarrheit um so erhebender.
Literatur
Boyce, Japheths B.
1993 `Night Stalker´, Lapidary Journal 47(4): 40-42, 112-114.
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1978 The Badlands, Alexandria, Virginea: Time-Life Books.
Froiland, Sven G.
1990 Natural History of the Black Hills and Badlands, Sioux Falls, South Dakota: The Center for Western Studies.
Hauk, Joy Keve
1987 Badlands: Its Life and Landscape, Interior, South Dakota: Badlands Natural History Association (Bull. 2).
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1908 The Fossil Turtles of North America, Washington: Carnegie Institution.
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1993 Scaphitid Ammonites of the Upper Cretaceous (Maastrichtian) Fox Hills Formation in South Dakota and Wyoming. New York: Bulletin of the American Museum of Natural History, No. 215.
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1973 The Bone Hunters. New York, London: Columbia University Press.
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1920 The White River Badlands. Rapid City, South Dakota: South Dakota School of Mines, Bulletin No.13.
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1929 The Titanotheres of Ancient Wyoming, Dakota, and Nebraska. Washington: Dept. of the Interior, House Doc. No. 428.
Rätsch, Christian
1994 `Die Badlands und ihre Fossilien´, Fossilien 4/94: 223-226.
1995 `Auf "Schildkrötenjagd" in den Badlands´, Schildkröten I/95: 20-24.
Rätsch, Christian und Andreas Guhr
1989 Lexikon der Zaubersteine aus ethnologischer Sicht, Graz: Akademische Druck- u. Verlagsanstalt (ADEVA).
Quelle: Fossilien 4/94: 223-226, 1994.