Ayahuasca
Arno Adelaars, Claudia Müller-Ebeling, Christian RätschVerlag: AT-Verlag
Erschienen: April 2006
ISBN: 3-03800-270-4
Kosten: EUR 24.90
Buchdaten: 240 Seiten
Buchbesprechung
AYAHUASCA
Rituale, Zaubertränke und visionäre Kunst aus Amazonien
Arno Adelaars, Christian Rätsch, Claudia Müller-Ebeling
AT-Verlag, Baden und München - 2006 - ISBN 978-3-03800-270-3
Es hat seine guten Gründe, weshalb wir ein neues Buch über Amazonien hier in der „Nepal Information“ kurz besprechen wollen. Denn erstens ist uns einer der drei Autoren, Dr. Christian Rätsch, von früheren Rezensionen über spezifische Himalaya-Themen – etwa „Hanf als Heilmittel“ (1998), „Haschisch“ (2000) oder „Coca und Kokain“ (2003) - schon bekannt. Zweitens hat ein Buch über „Schamanismus“ auch im weiteren Sinne immer auch einen direkten Bezug zum Himalaya, der ja eine der wesentlichen Heimstätten von Schamanen ist. Und drittens kennen die Alt-Hippies unter uns von unseren Streifzügen durch die Altstadt von Kathmandu in den Sechziger und Siebziger Jahren die Versuchungen der mehr oder weniger freien Drogenverfügbarkeit immer noch sehr gut.
Wie für den AT-Verlag schon fast üblich, ist auch dieses neue Buch sehr übersichtlich strukturiert und behandelt das geradezu heisse Thema auch diesmal wieder mit wissenschaftlicher Distanziertheit und Sachlichkeit. „Ayahuasca“, ein aus mehreren ethnobotanisch wichtigen Amazonas-Pflanzen gewonnener Trank, hat als starkes schamanisches Heilmittel erstaunliche Wirkungen auf Körper und Psyche. Als eigentliches „Erkenntnismittel“ offenbart er –wohlverstanden: nur wenn richtig angewandt! - dem Menschen in schamanistischen Ritualen die „wahre Wirklichkeit“, ist bedeutsam für Heilung und Gesundheit und fördert visionär das kreative Schaffen. Das Buch führt uns ein in die kulturelle Bedeutung von „Ayahuasca“ und in seine rituell-schamanistische Verwendung. Schon im Vorwort wird jedoch deutlich gemacht, dass eine einzige wissenschaftliche Disziplin allein – sei es Ethnologie, Ethnobotanik, Medizin oder Pharmazeutik – nicht genügen würde, um der Komplexität dieser Substanz und ihrer Wirkung gerecht zu werden. Vielmehr braucht es dazu erstens den Verbund verschiedener Wissens- und Forschungsgebiete, zweitens aber auch die persönliche Erfahrung und den Gleichmut, um mit so etwas Geheimnisvollem (und deshalb schnell auch „Verführerischem“) sinnvoll und mit der gebotenen Vorsicht umzugehen.
Im ersten Teil dieses Buches (S.17ff) geht Christian Rätsch im Einzelnen auf die geografischen, ethnobotanischen, medizinischen, ernährungswissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekte der Ayahuasca-Pflanze, ihrer Substanz und anderer verwandter Produkte wie Coca, Tabak und Copal ein – und zwar mit jener emotionslosen wissenschaftlichen Distanz, die wir schon in seinen früheren Werken über ähnliche Stoffe und Wirkungen schätzen gelernt haben. Dies ist nicht weiter erstaunlich, denn schliesslich hat Rätsch schon 1999 in einem Interview klargestellt: „An mir hat sich die Eso-Szene schnell die Zähne ausgebissen!“ (Zit: http://www.joergo.de/raetsch.html) .
Im zweiten Buchteil (S.81ff) handelt Claudia Müller-Ebeling die kulturellen Seiten von „Ayahuasca-Visionen und Kunstreflexionen“ mit eingehenden Exkursen über Muster, Zeichen und Signaturen, über Musik und über Gegenwartskunst ab
Den dritten Teil (S.167ff) widmet Arno Adelaars vor allem der „unendlichen Vielfalt“ an Traditionen und Ritualen, die sich im riesigen Amazonasgebiet, aber neuerdings auch im Westen um den Schamanismus im Allgemeinen und um seine psycho-aktiven Substanzen entwickelt haben, und bei denen der Grenzbereich zwischen „Ritual“ und „Religion“ oft undeutlich wird. Hier sind Frau Müller-Ebelings „kritische Bemerkungen zum Schamanismus-Kulturtransfer“ (S.256) und besonders das warnende Zitat auf Seite 258: „Wie immer lauern aber auch in der beglückenden Mangelbefriedung Fallen, in die beide Seiten oft und gern Hals über Kopf tappen“ von höchster Relevanz!
Die Autoren dieses spannenden Buches sind ein kompetentes Team best ausgewiesener Fachspezialisten: Arno Adelaars (1955) ist freier Journalist und hat den Drogenkonsum und das Suchtverhalten vieler Abhängiger studiert. Dr. Christian Rätsch (1957) hat Altamerikanistik, Ethnologie und Volkskunde studiert, erforscht seit langem den Gebrauch psychoaktiver Pflanzen in schamanistischen Kulturen und hat darüber in mehreren Büchern berichtet. Dr. Claudia Müller-Ebeling (1956) studierte Kunstgeschichte, Ethnologie und Literaturwissenschaft und unternimmt als freischaffende Wissenschaftlerin ausgedehnte Forschungsexpeditionen.
Roland Nyffeler
Dietlikon/Schweiz, im Oktober 2006